Zur Aufklärungspflicht des Apothekers
Thema
(LG Bremen, Urteil vom 10.10.2018, 1 O 1524/17)
Inwieweit ist ein Apotheker verpflichtet, seine Kunden über die Verfügbarkeit von kostengünstigeren Generika aufzuklären? Im vorliegenden Fall hatte sich der Apotheker wegen der Verletzung (vor)vertraglicher Aufklärungspflichten schadenersatzpflichtig gemacht.
Der Kunde war im Basistarif privatversichert, der dem Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankversicherung entspricht. Dies war dem Apotheker seit 2010 bekannt. Ende 2016 lief das Patent für das Arzneimittel Glivec aus. Ab 2017 waren wirkstoffgleiche Präparate (sogenannte Generika) günstiger erhältlich.
Der Apotheker hatte den Kunden sodann nicht über die Gefahr der fehlenden Kostenerstattung durch die Krankenversicherung aufgeklärt. Aufgrund der Verletzung seiner (vor)vertraglichen Aufklärungspflichten im Wege des Schadenersatzes gegenüber dem Patienten musste der Apotheker die von der Krankenkasse nicht übernommenen Kosten erstatten. Die Pflicht zur sogenannten wirtschaftlichen Aufklärung ergibt sich aus der Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei.
Relevanz
Grundsätzlich liegt die Prüfung der Erstattungspflicht des Versicherers im Pflichtenkreis des Patienten und nicht in der des Apothekers. Kennt der Apotheker die Gefahr der fehlenden Kostenerstattung und klärt nicht über dieses Risiko auf, macht er sich haftbar.
Diese Aufklärungspflichten sind dem Apotheker auch zumutbar. Für den Apotheker als Fachmann sei es ein Leichtes, aufgrund seines Wissens über die Basistarifversicherung den Sachverhalt klar zu erkennen und Kunden entsprechend aufzuklären. Abrechnungsfragen, insbesondere die der gesetzlichen Versicherung, sind das tägliche Geschäft des Apothekers, sodass er weiß, welche Kosten erstattungsfähig sind und er das Risiko beurteilen kann.
Dabei ist nicht maßgeblich, dass der Apotheker von der Basistarifversicherung des Patienten weiß. Vielmehr muss er sich das Wissen seiner Mitarbeiter zurechnen lassen. Als Inhaber hat der Apotheker die „Wissensverantwortung“ und damit die Pflicht, das im Unternehmen vorhandene Wissen ordnungsgemäß zu organisieren.
Fazit
Vor diesem Hintergrund ist der Apotheker auch verpflichtet, das bei ihm auflaufende Wissen, hier über das Auslaufen des Patents für das Medikament, an seine Mitarbeiter weiterzugeben. Gerade bei Langzeitkunden sind aufgrund der im Laufe der Jahre aufgelaufenen und veränderlichen Informationen erhöhte Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Aufklärung und Sachverhaltsanalyse zu beachten. Daher empfehlen sich regelmäßige Patientengespräche, in denen der Sachverhalt aktualisiert und gegebenenfalls die Wirtschaftlichkeits- und Bedarfsanalyse entsprechend angepasst wird.
Die in dem Gespräch gewonnenen Erkenntnisse sollten dokumentiert und intern ausgetauscht werden, um der Informationsweitergabepflicht zu entsprechen. Die Nachweisdokumentation dient zudem als Beleg für den Eintritt der Verjährung von erst deutlich später geltend gemachten Ansprüchen und erfüllt damit eine Doppelfunktion, weshalb Apotheker entsprechend angepasste Prozesse in ihren beruflichen Alltag integrieren sollten.
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