Aufklärungspflichten für Ärzte
Thema
Besondere Aufklärungspflichten für Ärzte bei sogenannten Neulandmethoden
(Urteil des OLG Hamm vom 23.01.2018, Az. 26 U 76/17)
Die ärztlichen Aufklärungspflichten sind immer wieder Streitgegenstand von Gerichtsentscheidungen. So auch im Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm. Dieses entschied, dass eine Einwilligung des Patienten in eine neuartige Operationsmethode unwirksam ist, wenn der Arzt zuvor nicht explizit darauf hingewiesen hat, dass unbekannte Komplikationen auftreten können.
Die 62-jährige Klägerin stellte sich im Jahr 2008 aufgrund einer Inkontinenz in der urodynamischen Sprechstunde im Hause der Beklagten vor. Nach Untersuchung und Diagnosestellung wurde der Patientin vermittelt, dass ein operativer Eingriff indiziert sei.
Vorgeschlagen wurde, dass ein Netz in den Beckenbodenbereich eingebracht werden soll. Dabei handelte es sich zum damaligen Zeitpunkt um eine sogenannte Neulandmethode, deren Risiken noch nicht vollumfänglich bekannt waren. Alternativ wurde ihr jedoch auch ein klassisches Operationsverfahren vorgeschlagen.
Relevanz
Die Patientin entschied sich für die ihr vorgeschlagene Neulandmethode und unterzog sich zeitnah dem Eingriff. Eine Verbesserung der Symptomatik trat jedoch nicht ein. Stattdessen litt die Klägerin danach an einer Dyspareunie. Es folgten fünf weitere operative Eingriffe, durch die die Schmerzen jedoch nicht vollständig behoben werden konnten.
Daraufhin klagte die Patientin auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 50.000 Euro, weil sie nicht vollumfänglich über die möglichen Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden sei. Der Klage wurde teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 35.000 Euro verurteilt. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte das Urteil und befand, dass die Klägerin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Die behandelnden Ärzte hätten die Klägerin bei einem derartigen Operationsverfahren ausdrücklich da-rauf hinweisen müssen, dass unbekannte Komplikationen auftreten können bzw. nicht auszuschließen sind.
Fazit
Das Gericht führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass der Patient in die Lage versetzt werden muss, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen Methode unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren.
Dies wurde im hiesigen Fall unterlassen. Insofern deckte die Einwilligung der Klägerin nicht den operativen Eingriff. Der Klägerin stand eine entsprechende Entschädigung zu.
Der hiesige Fall zeigt, dass insbesondere aufgrund des schnellen technischen Fortschritts in der Medizin stets die Ausklärungspflichten eines Arztes überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Es bietet sich auch als Mediziner an, die aktuelle Rechtsprechung diesbezüglich zu verfolgen.
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